Anmerkung der Reaktion: In den letzten Wochen wurde in verschiedenen Zeitschriften teilweise euphorisch über einen neuen Krebs-Bluttest der Columbia-Universität in New York berichtet. Was man den meisten Lesern jedoch verschwieg, war die Tatsache, dass dieser Test NOCH NIE unter realen Studienbedingungen getestet wurde, also mit Gesunden und Kranken, und dass es sich mal wieder um nichts anderes als Aktionärsbefriedigung handelte. 

 

Neuer Bluttest erkennt acht häufige Krebsarten

Von Norbert Lossau | Veröffentlicht am 19.01. in der WELT

US-Forscher haben einen neuen Bluttest entwickelt, mit dem sich Tumorerkrankungen bereits in einem sehr frühen Stadium erkennen lassen. Klinische Studien müssen noch die Praxistauglichkeit belegen.

Bereits seit Jahren entwickeln Forscher Methoden, die eine frühe Diagnose von Krebserkrankungen allein auf der Grundlage einer Blutprobe ermöglichen sollen. Für einzelne Krebsarten gibt es solche Tests bereits: So wurde etwa 2017 in den USA der sogenannte Septin9-Test zum Nachweis von Darmkrebs als erster blutbasierter Screening-Test zugelassen. In der Schweiz ist seit 2016 der Darmkrebs-Bluttest Colox im Einsatz.

Forscher der Columbia-Universität in New York unter Leitung von J. D. Cohen haben jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ eine neue Methode zur Früherkennung von Krebsvorgestellt. Die Wissenschaftler kombinierten den Nachweis von im Blut zirkulierenden Tumorproteinen mit dem von spezifischem Erbmaterial möglicher Tumoren. Die Forscher berichten, dass sie mit der sogenannten Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) acht häufige Krebsarten in einem frühen Erkrankungsstadium nachweisen können. Der Test könne die Lage von Tumoren in Eierstöcken, der Leber, dem Magen, der Bauchspeicheldrüse, der Speiseröhre, dem Darm, der Lunge und der Brust unterscheiden.

Deutsche Experten warnen indes vor zu großen Erwartungen und kritisieren die Publikation in mehrfacher Hinsicht. Das dargestellte Verfahren sei zwar aus methodischer Sicht durchaus interessant, sagt Professor Florian Haller gemeinsam mit Kollegen in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, es sei jedoch „in Bezug auf eine Krebsfrüherkennung ohne jede Aussagekraft“. Die Gefahr von falsch positiven Testergebnissen sei inakzeptabel hoch. Beim Einsatz dieser Methode würden viele gesunde Menschen verunsichert und unnötige Anschlussuntersuchungen durchgeführt.

„Bei einem anerkannten Screeningverfahren muss eine einzelne an Krebs erkrankte Person ohne Symptome aus mehreren Hundert gesunden Personen und Personen mit anderen Erkrankungen korrekt erkannt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pathologie weiter. Dies leiste die neue Methode bislang nicht.

Neue Methode ist „sinnvolle Weiterentwicklung“

Es gibt auch gemäßigtere Kommentare. Professor Holger Sültmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg stellt fest: „Der Mehrwert der Methode ergibt sich aus der Verwendung von minimalinvasiv zugänglichen Körpermaterialien – etwa einer Blutprobe. Die Kombination verschiedener Marker ist eine sinnvolle Weiterentwicklung bisheriger diagnostischer Verfahren.“ Lobende Worte findet er auch für die Zahl der Studienteilnehmer. „Die Größe der Studie ist mit mehr als 1800 Probanden beachtlich und setzt einen neuen Standard für zukünftige Studien der Früherkennung anhand von molekularen Biomarkern.“

Einen praktischen Einsatz der Methode hält er für denkbar, wenn sie mit prospektiven klinischen Studien bei symptomfreien Probanden validiert werden kann. Bei der US-Studie waren nur Probanden untersucht worden, von denen man bereits wusste, dass sie unter Krebs leiden.

Diagnostische Aussagekraft ist noch zu gering

Insofern könne man da bislang noch nicht von einer „Früherkennung von Tumoren“ sprechen. Sültmanns Fazit lautet: „Die diagnostische Aussagekraft ist derzeit für die klinische Praxis zu niedrig. Sollten sich die Ergebnisse der Analyse in unabhängigen Studien verifizieren lassen, so könnte eine frühere Erkennung bestimmter Tumorarten wahrscheinlicher werden.“

„Die Ergebnisse der Studie werden die Weiterentwicklung von Bluttests für die frühzeitige Tumorerkennung sicher anregen“, ist Professor Klaus Pantel, Direktor des Instituts für Tumorbiologie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, überzeugt. Sie zeige aber auch die Schwierigkeiten, die es trotz enormer Anstrengungen immer noch gebe.